Volkstrauertag 2020
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, sehr geehrte Gäste,
was uns die derzeitige Pandemie zeigt: Ja, wir sind verwundbar. Vielleicht haben wir zu lange geglaubt, dass wir unverwundbar sind, dass es immer nur schneller, höher, weiter geht. Aber das war ein Irrtum. Die Krise zeigt uns allerdings nicht nur das, sie zeigt uns auch, wie stark wir sind! Worauf wir bauen können!
Solidarität – das ist ein großes Wort. Aber erfährt nicht jede und jeder von uns derzeit ganz konkret, was Solidarität bedeutet? Mein Handeln ist für andere überlebenswichtig.
Bitte bewahren wir uns diese kostbare Erfahrung. Die Solidarität, die Sie jetzt jeden Tag beweisen, die brauchen wir in Zukunft umso mehr! Wir werden nach dieser Krise eine andere Gesellschaft sein. Wir wollen keine ängstliche, keine misstrauische Gesellschaft werden. Aber wir können eine Gesellschaft sein mit mehr Vertrauen, mit mehr Rücksicht und mit mehr Zuversicht.
Liebe Wehrderinnen, liebe Wehrdener,
heute ist ein stiller Tag, an dem wir bewusst innehalten und der Opfer von Krieg und Gewalt-herrschaft gedenken. Wir gedenken der Millionen Toten, die ihr Leben in einem der beiden Weltkriege, aber auch in allen anderen Kriegen auf dieser Welt lassen mussten.
Über 74 Millionen Menschen weltweit fanden allein im Ersten und Zweiten Weltkrieg den Tod. Die Städte, die Dörfer und die Herzen der Menschen lagen in Trümmern. Hass und Gewalt brachten Elend, Leid und nie wieder gut zu machendes Unrecht, das den von Nationalsozialisten verfolgten und getöteten Menschen angetan wurde.
Unsere Großeltern und Eltern waren Zeugen dieser schrecklichen Ereignisse. Doch die Erinnerung schwindet mit den Jahren. Die Zeitzeugen sterben und die Nachkommen der Kriegsgeneration verlieren den Bezug zu vergangenen Ereignissen. Damit genau das nicht passiert, sind Gedenktage wie der Volkstrauertag so wichtig.
Möge uns der Volkstrauertag erinnern an unsere Aufgabe, den Frieden zu bewahren. Wir haben das Glück, heute in einem friedlichen Europa leben zu dürfen. Unsere Familien dürfen sicher aufwachsen und wir können unser Leben weitgehend nach unseren Vorstellungen gestalten. Die Angst, Familien-mitglieder und Freunde zu jung beerdigen zu müssen, unser Hab und Gut durch Bomben zu verlieren oder selbst Opfer eines Krieges zu werden, ist uns in der Regel fremd.
Unsere Kinder wachsen in einem Land auf, in dem Frieden selbstverständlich ist.
Ich finde nicht. Wenn wir uns die aktuellen politischen Entwicklungen auf der ganzen Welt ansehen, dann bin ich zugegebenermaßen in Sorge um den Frieden. In vielen Ländern dieser Erde setzen sich Die Außenpolitik mancher Staaten lässt sich bestenfalls chaotisch nennen. Da werden Verbündete brüskiert, mühsam zustande gekommene Abkommen gekündigt – scheinbar nach Lust und Laune. Ich würde mir auch hier mehr Stille und weniger Getöse wünschen.
Der Weltfrieden ist zu einem zerbrechlichen Gut geworden, dass wir mehr denn je schützen müssen. Damit das gelingen kann, sind auch wir selbst gefragt.
Nicht überall auf der Welt funktioniert das so gut wie in Deutschland. Noch immer wüten Kriege unbarmherzig und fordern unzählige Opfer. Tag für Tag. Nicht alle Menschen haben das Glück so friedvoll aufzuwachsen. In einigen Teilen der Welt gehören Explosionen, Bomben, Vertreibung und Tod zum Alltag.
Sie sind die Stimmen der Gegenwart, denen wir Gehör schenken müssen – genauso wie den mahnenden Stimmen unserer Eltern, Großeltern und Urgroßeltern nie verstummen dürfen, damit Kriege der Vergangenheit angehören.
Wir wollen heute auch all unseren Bundeswehrsoldatinnen und Soldaten von ganzem Herzen danken, die in verschiedenen Ländern dieser Erde zu humanitären Einsätzen entsandt werden und so einen Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens leisten.
Wir gedenken unseren Soldaten, die in den beiden Weltkriegen gefallen, die ihren Verwundungen erlegen, in Gefangenschaft gestorben oder seither vermisst sind.
Wir gedenken derer, die im Widerstand, die um ihrer Überzeugung oder ihres Glaubens Willen Opfer der Gewaltherrschaft wurden. Wir gedenken der Männer, Frauen und Kinder, die in der Folge des Krieges auf der Flucht oder bei der Vertreibung aus der Heimat ihr Leben verloren.
Wir trauern um die Soldaten und Opfer unserer Tage, die in den Friedensmissionen in aller
Welt ihr Leben lassen mussten.